Familienforschung
Gottsleben - Gayes - Engelbarts - Voß


Home Nach oben Johann Bernhard Gottsleben Johannes Gottsleben Joseph Gottsleben Ludwig Gottsleben
 

 

Ludwig Erasmus Gottsleben
1836-1911

 Schauspieler und Schriftsteller in Wien

Ludwig Gottsleben

Leben

Ludwig Erasmus Gottsleben, geboren am 24. November 1836 in Wien-Schottenfeld (Wien 7, Burggasse 88, Neustiftgasse 99) entstammt einer bürgerlichen Handwerkerfamilie. Sein Vater Ludwig Gottsleben war Wiener und übte das Gewerbe eines Graveurs aus. Die Mutter Susanne, geborene Trog, stammte aus der Schweiz. Gottsleben wollte ursprünglich Maler werden und besuchte die kaiserliche Akademie der bildenden Künste in Wien.[1] Zuerst arbeitete er als Illustrator bei Moriz Saphirs »Montagkrebs«. Doch hatte er wohl mehr Talent zur darstellenden als zur bildenden Kunst. Als er mit großem Erfolg im Geselligkeitsverein »Die Biedermeier« in der Rolle des »Christoferl« in »Einen Jux will er sich machen« öffentlich auftrat - sein Partner »Weinberl« war Josef Lewinsky -, wurde ihm so einstimmige Anerkennung zuteil, dass er sich entschloss, die Akademie zu verlassen und Schauspieler zu werden. Besonders gefiel sein drolliges Wesen über alle Maßen. Sein erstes Engagement erhielt er am Fünfhauser Sommertheater, wo er am 23. Juli 1859 als »Schneiderlehrling Franzl« im Flammschen Lebensbild »Eine Wienerin« debütierte. Ludwig E. Gottsleben hatte Erfolg, seine wirkliche komische Begabung und seine eigentümlich groteske Art zu sprechen gefielen immer mehr, und bald zählte er zu den beliebtesten Komikern Wiens.

___________________________________

Ludwig Gottsleben

um 1900

Couplet »Dös is z'dumm!«

Handschrift
1910

___________________________

Handschrift
1897

Handschrift
1905

Ludwig E. Gottsleben ist während seines Theaterlebens aus Wien nie recht herausgekommen und war an fast allen Wiener Vorstadtbühnen engagiert, so am Theater an der Wien, am Karltheater, an der komischen Oper, am Strampfertheater, am Sommertheater in Venedig in Wien und wiederholt am Theater in der Josefstadt, sowie am Fürst- und späteren Jantschtheater. Die Gunst des Publikums wuchs je länger er in Wien tätig war und erreichte wohl ihren Höhepunkt zur Zeit seines Wirkens am Fürsttheater und am Theater in der Josefstadt unter Blasel. War jedoch ab und zu in Wien kein Platz für seine darstellerische Tätigkeit, so begab er sich meistens zur Sommerzeit in die österreichische Provinz und erzielte dort sowohl als Schauspieler als auch in musikalisch-deklamatorischen Soireen mit Solovorträgen und mit seinem »urg'spaßigen« Koupletvortrag, der wie seine ganze Darstellungsart an die Darbietungen der Komiker des Vormärz erinnert, stürmischen Beifall.

    Geheiratet hat Ludwig E. Gottsleben im Jahre 1871 Ludmilla Susanne Mayer. Im dritten Ehejahr wurde am 13. September 1874 ihr einziges Kind, die Tochter Ludmilla, geboren, an der er mit besonderer Zuneigung hing. Seine Frau verstarb bereits 1881, kaum 34-Jährig, an Lungentuberkulose. Ludwig E. Gottsleben ertrug diesen Verlust schwer und blieb fortan Witwer. Ein Leiden (Struma), zu dem er jeher die Anlage besaß, verursachte ihm häufig Atembeschwerden, die er auf der Bühne besonders drollig in sein Sprechen einzubinden wusste.

    Besondere Erwähnung verdient sein Wirken während der 1892 ausgerichteten Musik- und Theater-Ausstellung in Wien. Er erschien damals als »Hanswurst« auf einer kleinen, in »Alt-Wien« errichteten Bühne, wo er durch Aufführung von alten Schwänken und Possen, namentlich aber durch Beteiligung an der Vorführung der Stegreifkomödie alltäglich wahre Stürme der Heiterkeit hervorrief.[2]



Ludwig Gottsleben
der letzte Wiener Hanswurst



Die Wiener Komikergarde
im letzten Viertel des
19. Jahrhunderts

    Ludwig E. Gottsleben blieb »heiter auch in ernster Zeit«, und wenn es ihm gar oft nicht gelang, ein nur halbwegs passendes Engagement zu finden, so verlor er doch niemals den guten, urechten Wiener Humor. Im Jahre 1899 feierte er sein 40-jähriges Schauspielerjubiläum, das durch Veranstaltung einer Matinee im Karltheater festlich begangen wurde. Er erschien als »Diener« in Nestroys »Frühere Verhältnisse« und in dem von ihm verfassten Scherzspiel »In der Theaterschule«. Das Publikum jubelte ihm zu.

    Im Jahre 1903 schrieb Ludwig Eisenberg: »Wenn Gottsleben heute nicht mehr Gelegenheit findet, Figuren des Wiener Volksstückes in seiner harmlosen, wenn auch mitunter drastischen und derben Komik zu verkörpern, so freut man sich doch immer, wenn man diesem Stück lustigster, vergangener Wiener Theaterzeit da und dort auf der Bühne begegnet, und dass Gottsleben noch immer in völliger körperlicher und geistiger Frische in seiner gegenwärtig vielleicht etwas veralteten Darstellungsart den unverwüstlichen Alten zeigt. Ragt er doch gewissermaßen wie ein Wahrzeichen einer längst vergangenen Zeit in unsere Tage hinein.«

    Seine äußere Erscheinung war sehr markant und entsprach ganz der Vorstellung, die man sich von einem Alt-Wiener Komiker macht. Die charakteristischen Merkmale waren: kurze, durch Vorliebe für gutes und reichliches Essen schon früh beleibte Gestalt, watscheliger Gang, volles rotes Gesicht, aus der kleine, von buschigen Brauen überwölbte Augen vergnüglich blickten, Hängebacken, verfilzter Hals, so dass ihm beim Sprechen und besonders beim Singen immer der Atem ausging, was indes seine Drolligkeit erhöhte. Erst in seinen letzten Lebensjahren veränderte sich sein Aussehen. Er wurde infolge seiner Krankheit und wohl auch der schlechten Lebensverhältnisse blass und mager. Von seinen Eigenschaften berichtet er selbst: »Ein loses Maul, das war - mit Verlaub - ich selbst. Die uns Wienerkindern in der goldenen Jugendzeit eigene Zwanglosigkeit, die sich in pfeilschnellfertigen Urteilen und überlauter Äußerung derselben Luft macht, ward auch mir in wahrhaft beklagenswerter Weise zu Teil geworden.« Besonders von Kollegen aufgehetzt, griff er in jeden Streit ein oder reizte jemanden so lange, bis es zum Streit kam. Da er jedoch im Grunde seines Wesens gutmütig war, gab sich die Streit- und Spottlust mit zunehmender Reife gänzlich. Er wurde wegen seiner Hilfsbereitschaft, Pflichttreue und Ehrlichkeit ein von allen geachteter und geliebter Kollege, der sich auch reizbaren und herrischen Charakteren anzupassen vermochte. Er besaß regen Familiensinn und hing mit großer Liebe an seiner Vaterstadt Wien, wie sein Ausspruch anlässlich des Ankaufs seines Porträts für die städtischen Sammlungen aufzeigt. Sein Humor war urwüchsig, manchmal derb, jedoch ebenfalls immer gutmütig und eher melancholisch als scharf. Später wich er durch Armut und Krankheit pathetisch-sentimentalen Stimmungen.

    Ludwig E. Gottsleben lebte zuletzt in Wien 8, Floriangasse 17. Er starb am 26. Februar 1911 im Allgemeinen Krankenhaus Wien 9, Alser Straße 4 und erhielt ein Ehrengrab im Zentralfriedhof, das in Pflege der Gemeinde Wien steht. Das Begräbnis erfolgte am 1. März 1911 von der Alserkirche aus. In der um seine Tochter Ludmilla Gottsleben versammelten Trauergemeinde waren zu sehen der Wiener Vizebürgermeister Hierhammer, Hofrat von Radler, Verwaltungsdirektor Skofitz in Vertretung des Bühnenvereins, die Oberregisseure Hopp und Tuschl, die Schauspieler Girardi, Lunzer, Amson, Lebschmid, Franz Fischer, Bing, Schönau, Rauch, Kramer, Bauer, Schmidl, Henri Beer, Darnau, Kirchner, die Schauspielerinnen Griebl, Kopfauf, Noe, Ferri und Kathi Schulz.[3]

Ehrengrab Ludwig Gottsleben
Wiener Zentralfriedhof
(Gruppe 74A-Reihe 31-Nr. 51)

Nach Ludwig E. Gottsleben wurde am 28. Mai 1930 in Wien 12, Untermeidling, Gartenstadt »Am Tivoli« die »Gottslebengasse« benannt.

Kritik an der Zeit formulierte Ludwig E. Gottsleben in seinen typischen Couplets so:

»Es gibt nur eine Wissenschaft,
Das ist die soziale;
Drum les' ich auch den ganzen Tag
John Stuart und Lasalle.
Das wenigste versteh' ich zwar,
Doch das wird wohl nix machen,
Die Hauptsach ist das Lesen nur
Bei alle diese Sachen;
A konfisziertes Büchel, das
Belebt mein ganzes Wesen,
Ich tät, wann's nur verboten wär,
A d' Genovefa lesen!«

oder
»Im Schauspielhause sitzt ein Herr,
Man gibt den König Lear
Er klatscht in seiner Loge sehr,
Begeistert von Shakespeare.
Wie kömmt der Herr ins Trauerspiel,
Dem sonst der Zirkus nur gefiel?
Die Zeitung, die er täglich liest,
Wirft feurige Geschosse
Nach jedem, der die Kunst vergisst,
Nur schwärmend für die Rosse;
Allmählig fing den stolzen Mann
Der Vorwurf doch zu brennen an.
Er fühlt jetzt, was der Kunst gebührt
Trotz Hochmut und Noblesse,
Der Geist hat ihm zum Geist geführt,
Drum hoch die freie Presse!«

oder
»Heut' erfinden's a G'wehr, dös geht dreizehnmal los
Und morg'n drauf gleich wieder ein anderes G'schoss;
Die Gusstahlkanonen solln's Höchste jetzt sein,
Kein Franzos', schrei'n die Preussen, kommt mehr über'n Rhein!
Der Erfinder von Mordwaffen wird dekoriert,
Wie sich's für a solches Genie wohl gebührt.
So ist man zum Krieg jetzt allstundlich bereit
Und das heissen die Leut' a gemütliche Zeit.«

Nachlass

Ludwig E. Gottslebens Nachlass wird in der Wiener Stadt- und Landesbibliothek aufbewahrt.
   Nachlass in der Handschriftensammlung:
ca. 170 Inventarnummern und 1 1/3 Kartons. Ca. 30 inventarisierte und zahlreiche unbearbeitete Werkmanuskripte, vor allem Theaterstücke und Couplets. - Einzelne Briefe. - Tagebuchnotizen (1863-1867), Bühnenverträge, autobiographische Aufzeichnungen. - Zahlreiche Theaterstücke und Couplets anderer Autoren.
Maschinenschriftliches Verzeichnis, Zettelkatalog. - Teilweise unbearbeitet. - Kauf 1916.
   Teilnachlass in der Musiksammlung
: ca. 30 Inventarnummern: Couplets verschiedener Komponisten, teilweise zu Texten von Ludwig Gottsleben.
   Verzeichnung: Zettelkatalog. - Inventarisiert 1928.
Nachlass in der Druckschriftensammlung:
1 Konvolut Theaterzettel zu Auftritten von Gottsleben (1882-1902).

Werke

Werke von Ludwig Gottsleben:

bullet

Ein Musikant, 1856.

bullet

Pfingsten oder Herr Göd und Jungfer Gödl, 1858.

bullet

Nur solid! 1859.

bullet

Auf der Bühne und hinter den Kulissen, 1862.

bullet

Wiener Schnipfer, 1870.

bullet

Wiener Harfenisten, 1870.

bullet

Diese Damen, 1870.

bullet

Nestroy (Lebensbild), 1870.

bullet

J. Nestroys Werke, 1892.

bullet

50 Jahre Komiker (Autobiographie), 1910.

Nachrufe in der Wiener Presse

Neue Freie Presse 1911, Nr. 16710
(27.02.), S. 8
 

Die Neue Zeitung
4 (1911), Nr. 58
(27.02.), S. 8
 

Wiener Sonn- und Montagszeitung
49 (1911), Nr. 9
(27.02.), S. 6

Wiener Abendpost
1911, Nr. 47 (27.02.),
S. 4

Literatur

bullet

Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart. Leipzig: Seemann, Bd. 14 (1921), S. 426.

bullet

Czeike, Felix: VIII. Josefstadt. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1980 (Wiener Bezirkskulturführer, 8), S. 20 [irrtümlich als Geburtshaus bezeichnet].

bullet

Czeike, Felix: Historisches Lexikon Wien. Wien : Kremayr & Scheriau, Bd. 2 (1993), S. 578.

bullet

Eisenberg, Ludwig: Biographisches Lexikon der deutschen Bühne im 19. Jahrhundert. Leipzig: List, 1903, S. 341.

bullet

Flögel, Karl Friedrich: Geschichte des Grotesk-Komischen: ein Beitrag zur Geschichte der Menschheit; nach der Ausg. von 1788 / neu bearb. und hrsg. von Max Bauer. München : G. Müller, 1914, S. 367 [»Gottsleben war der allerletzte Wiener Hanswurst, den er auch in der Wiener Internationalen Ausstellung für Musik- und Theaterwesen im Jahre 1892 einen ganzen Sommer hindurch verkörperte, assistiert von Kräuser, dessen virtuose Nachahmung des tschechisch-wienerischen Dialektes bis jetzt unerreicht ist, und des fidelen delli Zotti. Die asthmatische Sprechweise Gottslebens, die in den Fettpolstern des schwammigen Antlitzes kaum sichtbaren Augen, der breite, sinnliche Mund, das spitze Bäuchlein, das auf zu kurz geratenen Beinen ruhte, machten ein Ensemble von unwiderstehlicher Komik aus. Gottsleben war keine allererste Nummer als Künstler, aber ein Groteskkomiker von Natur, der der Kunst entraten konnte, um komisch zu wirken.«]

bullet

Giebisch, Hans und Gustav Gugitz: Bio-Bibliographisches Literaturlexikon Österreichs von den Anfängen bis zur Gegenwart. Wien: Hollinek 1963.

bullet

Handl, Willi: Gottsleben. In: Die Schaubühne 7 (1911), S. 293-296.[4]

bullet

Das Josefstädter Heimatmuseum. Band 2. Wien: Neuer Wiener Pressedienst 1959-1969, S. 235 u. 324.

bullet

Koller, Josef: Das Wiener Volkssängertum in alter und neuer Zeit: Nacherzähltes und Selbsterlebtes, mit Biographien, Episoden, Liedern, zahlreichen Abbildungen und Porträts nach zeitgenössischen Bildern aus dem Volkssängerleben. Wien: Gerlach u. Wiedling [1931], S. 27 ff.

bullet

Kosch, Wilhelm: Deutsches Theater-Lexikon. Klagenfurt: Kleinmayr, Bd. 1 (1953), S. 592.

bullet

Lackner, Ninni: Ludwig Gottsleben. In: Weltpresse, 21.11.1946.

bullet

Österreichisches biographisches Lexikon, 1815-1950. Graz: Böhlau, Bd. 2 (1959), S. 37.

bullet

Manderthaner, Wolfgang u. Lutz Musner: Die Anarchie der Vorstadt: das andere Wien um 1900. Frankfurt/M. u.a.: Campus-Verl., 1999.

bulletMarkl, Hans: Kennst du die berühmten letzten Ruhestätten auf den Wiener Friedhöfen? Band 1: Zentralfriedhof und Krematorium (Urnenhain). Wien: Pechan 1961, S. 144.
bulletMayer, Wolfgang: VII. Neubau. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1983 (Wiener Bezirkskulturführer, 7) , S. 7.
bulletRotter, Hans: Die Josefstadt. Geschichte des 8. Wiener Gemeindebezirkes. Wien: Selbstverlag 1918, S. 474.
bulletRotter, Hans: Neubau. Ein Heimatbuch des 7. Wiener Gemeindebezirkes. Wien: Deutscher Verlag für Jugend und Volk 1925 , S. 167.
bullet

Rubey, Norbert u. Peter Schoenwald: Venedig in Wien. Theater- und Vergnügungsstadt der Jahrhundertwende. Wien: Ueberreuter, 1996, S. 31, 108, 118, 125, 139, 147. [»Venedig in Wien«: Das war die riesige Theater- und Vergnügungsstadt im Wiener Prater um die Jahrhundertwende. Weltberühmte Operettenkomponisten - C. M. Ziehrer, Franz Lehar, Josef Hellmesberger jun., Edmund Eysier, Oscar Strauss, Richard Heuberger, Oskar Nedbal u. a. - hatten hier rauschende Erfolge. Große Namen des Theaters wie Fritzi Massary, Mizzi Zwerenz, Annie Dirkens, Ludwig Gottsleben, Richard Waldemar begeisterten das Publikum. Das Buch ruft ein fast vergessenes Kapitel Wiener Stadt-, Theater- und Musikgeschichte in Erinnerung.]

bullet

Tumfart, Barbara: Vom »Feldmarschall« zum »Eroberer«. Über den Einfluß der österreichischen Theaterzensur auf den Spieltext in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. In: Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur 30 (2005), S. 98-117.[5]

bullet

Walz, Elfriede: Ludwig Gottsleben, ein Wiener Schauspieler und Volksdichter. Wien, 1947. (Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien.)[6]

bullet

Das Wiener Heimatbuch – Mariahilf. Hrsg. von der Arbeitsgemeinschaft des Mariahilfer Heimatmuseums. Wien: Austria Press 1963 , S. 233.

bullet

Wladika, Otto: Von Johann Fürst zu Josef Jarno. Die Geschichte des Wiener Pratertheaters. Wien 1960. Diss. Univ. Wien.

bullet

Wilhelm, Sigmund: Ludwig Gottsleben. In: Wiener Wandelbilder. Wien, 1912, S. 59-64.

Tondokumente
 
bullet

Wiener Schauspieler II [Aufnahmen mit Josef Altmann, Bernhard Baumeister, Adolf von Sonnenthal, Hugo Thimig und Ludwig Gottsleben] : Übertragungen von Phonogrammen aus den Jahren 1906 und 1907 / kommentiert von Margret Dietrich. Wien : Verl. der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 1987. (= Tondokumente aus dem Phonogrammarchiv der Österreichischen Akademie der Wissenschaften)

bullet

Großegger, Elisabeth: Schauspieler der Jahrhundertwende (Josef Lewinsky, Max Devrient, Josef Altmann, Bernhard Baumeister, Adolf von Sonnenthal, Hugo Thimig und Ludwig Gottsleben). In: Tondokumente aus dem Phonogrammarchiv der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Gesamtausgabe der Historischen Bestände 1899–1950. Serie 2: Stimmportraits. Wien: Österreichischen Akademie der Wissenschaften PHA CD 8, 1999, S. 194–218.
 

Tonaufnahmen von Ludwig Gottsleben

Eigenes Couplet
»Es ist zum Haarausreißen«,
aufgenommen am 18. März 1907 in Wien

»Es ist zum Haarausreißen, 's is' zum Haarausreißen
Bleibt mei Lieblingssprüchl allemal.
Was die Mensch'n treiben, das ist nicht zum b'schreiben,
Nix als Ärger hat man, Gift und Gall'!
Möcht' oft hellauf flennen, mit'n Kopf anrennen,
In der Luft all's z'reißn quintelweis:
/:Es is' zum Haarausreißen, 's is' zum Haarausreißen,
Möcht' mir d' Haar ausreißen schippelweis:/

Es ist zum Haarausreißen, 's is' zum Haarausreißen,
Was das Publikum tut jetzt begehr'n.
Singt man noch so schöne, reine Glockentöne,
Soll man alleweil' noch schöner plärr'n.
'Wart', wir wer'n di' zwinga, wirst glei noamol singa',
's verehrte Publikum tut Einem's nit z'Fleiß,
/:Es is' zum Haarausreißen, 's is' zum Haarausreißn,
Möcht' mir d' Haar ausreißen schippelweis:/

Es gibt arme Leut', es gibt Bettelleut' und Leut', die gar kein Geld haben; zu dieser dritten Sorte gehör' ich. He, he.
/:Es is' zum Haarausreißen, 's is' zum Haarausreißen,
Möcht' mir d' Haar ausreißen schippelweis:/«

Eigene Posse
»Wiener Schnipfer« (1870), »Entréelied des Schlankl«,
aufgenommen am 18. März 1907 in Wien

»Das Fechtengeh'n is heutzutag' a reine Quälerei,
Man hat mit'm ganzen Publikum nur Gift und Gall' dabei.
Ein jeder hat die Ausred', daß er selber betteln geht,
Und wirft einem's Geld hin, grad' als wenn er ein'm was schenken tät'.
Ob die paar Kreuzer mein jetzt g'hörn, was liegt am End' scho' dran,
Ich hätt' auf Ehr' oft gute Lust und schenkt's ein'm Bettelmann.
Am Abend is' der Kassaschluß, zwa Sechserln oder drei,
/:Das Fechtengeh'n is' meiner Seel' a reine Quälerei:/

Zu einer Arbeit bin i' z'schwach, das hab' i' schon erfahr'n,
Drum leb' i' von dem Bißl, was si' and're Leut' erspar'n.
Der Reichtum macht nicht glücklich, hab' i' g'hört von viele Leut',
Der Reichtum, der ein'm Ander'n g'hört, macht freilich mir ka Freud'.
Es is' amal auf dera Welt so eingeteilt, i siech's,
Die reichen Leut', die hab'n a Geld, und d' armen Leut' hab'n nix.
Drum bring' i' auch mei Gfrett nit los, das Pech, die Keilerei.
/:Das Fechtengeh'n is' meiner Seel' a reine Quälerei:/

Manchen Tag kommt man rein nicht auf die Regiespesen. Jetzt bin i' an ganzen Vormittag betteln gangen, was hab' i' g'löst? Zwa Gulden! Da soll aner an ganzen halben Tag betteln weg'n zwa Gulden! So viel verdient sich doch bald aner, der den ganzen Tag arbeit'! S' letzte Mal gibt mir a Köchin gar a Rein voll einbrennte Erdäpfel. Und nit amol aufg'wärmt sind' s g'wesn, na, eiskalt. Dera hab i' aber's Reindl aufg'setzt, daß ihr die einbrennten Erdäpfel über's G'sicht obag'ronnen sind. Die Leut' erlaubeten sich gar schon alles in der Stadt:
Auf, auf, in d' Sommerfrisch'n fort im rasenden Carrière,
Mi' g'freut die ganze Residenz und d' Stadtleut' nimmermehr.«

Anmerkungen

[1] »Nach Beendigung seiner Schulzeit beschloss Gottsleben, sein Zeichentalent, das er wie so viele Dichter neben der poetischen Begabung besaß, zu verwerten. Er begann auf der Akademie für bildende Künste in Wien Malerei zu studieren. Um sich Geld zum Studium zu verschaffen, zeichnete er in seiner freien Zeit Illustrationen für Journale, zunächst für Landsteiners ›Telegraph‹. Sein eifrigster Förderer war der Hauptmitarbeiter dieses Blattes, O. F. Berg, zu dessen Texten er Bilder zu liefern hatte und der ihn schließlich als seinen Schreiber anstellte. Dennoch sah sich Gottsleben gezwungen, weiterhin Illustrationen zu übernehmen. Er illustrierte Langers ›Hans-Jörgel‹ und Varris ›Teufel in Wien‹, das Witzblatt ›Tritsch-Tratsch‹ und Saphirs ›Wochen-Krebs‹. Durch den Umgang mit Volksstückautoren wie Langer und Berg lernte Gottsleben die Anforderungen der Bühne und des Publikums an den Theaterdichter kennen. Er nahm seine schriftstellerische Tätigkeit wieder auf und begann selbst Volksstücke zu schreiben. Mit 19 Jahren gelang ihm das erste bühnenmäßig geeignete Stück. Es gelangte ab 17. Juni 1856 unter dem Titel ›Ein Musikant oder die ersten Gedanken‹ durch das ausgezeichnete Ensemble des Theaters an der Wien an dessen Sommerarena in Fünfhaus erfolgreich zur Aufführung und zählte in den folgenden Jahren zu den erfolgreichsten Stücken des Repertoires dieses Theaters, wozu allerdings die flotte Musik von Franz von Suppé wesentlich beitrug.« (Elfriede Walz: Ludwig Gottsleben, ein Wiener Schauspieler und Volksdichter. Wien, 1947. S. 43 f.)

[2] (…) Aber auch andere bunte, herrliche und selig verwirrende Dinge gab es damals für mich im Prater zu erleben! Da war das Trabrennen nächst der Rotunde, die Steeplechase in der Freudenau, wohin der Onkel die Verwandten in seinem Hofwagen führte, und eines Sommers hatten Zauberer mitten in dem Prater die ganze liebe alte Stadt Wien - so schien es wenigstens dem Kinde - aus ihrer Versunkenheit wieder in die Wirklichkeit zurückgestellt, insonderheit den Hohen Markt, wie er noch zu Zeiten des Hanswurstes gewesen. Und in der Tat war auch inmitten des Platzes die lustige, heitere Szene errichtet, auf der man Stücke aus jener Zeit zum besten gab. »Es ist zum Haarausreißen!« war der Refrain eines Couplets, und ein Schauspieler namens Gottsleben war Hanswurst, der es sang. In einem der dämmerigen Hausflure jenes Platzes aber spielte ein alter Straßensänger im Kostüm der Vergangenheit die Harfe und trug mit einer gedämpften urwienerischen Stimme uralte Lieder vor, die den Knaben erheiterten und merkwürdig ergriffen. Er, der im Elternhause gleichsam genährt ward mit Erinnerungen an das Wien des Vaters und Vorvaters, fühlte, so jung er war, die Urmelodie seiner Heimat, als hübe das Blut seiner Väter an, in ihm selbst zu singen, als käme ihm Botschaft aus einer Welt, in der er früher schon einmal gelebt haben mußte. Und so etwas Ähnliches wird es wohl auch gewesen sein; denn bloße Erzählungen, besonders von Dingen, die der Erzähler selbst nicht mehr erlebt hat, vermögen wohl das Sinnliche der Vergangenheit allein nicht so lebendig zu machen. Später hat man im Prater die Lagunenstadt Venedig mit Palästen, Kanälen und Gondeln aufgebaut. Sie hat aber auf mich bei weitem nicht den Eindruck gemacht wie der Hohe Markt in der Musik- und Theaterausstellung von Anno 1892 (…)
Aus:
Der Praterinspektor Huber. Eine Kindheitserinnerung von Anton Wildgans (*17.4.1881 Wien, † 3.5.1932 Mödling, Niederösterreich. Jurist, Dramatiker und Lyriker).

[3] Elfriede Walz berichtet in ihrer Dissertation über Ludwig Gottslebens Begräbnis: »Hingegen ist es mir nicht gelungen, die in den Zeitungsnachrichten über Ludwig Gottslebens Begräbnis angeführte Henriette Gottsleben urkundlich nachzuweisen.« (Walz, S. 157, Fußnote 52.)

[4] Willi Handls Nachruf auf Ludwig Gottsleben ist zugleich auch eine scharfe Abrechnung mit der »Zeit der lautesten und selbstgefälligsten Wiener Gemütlichkeit, die im Grunde nie etwas andres war, als Roheit voll Rührung über sich selbst«:

 

Willi Handl: Gottsleben. In: Die Schaubühne 7 (1911), S. 293-296.

[5] Die Theaterschriftsteller-Petition von 1874 trug eine »Vielzahl an Unterschriften von bedeutenden Schriftstellern, von denen hier einige exemplarisch genannte seien: Eduard von Bauernfeld, Heinrich Laube, Ada Christen, Julius Findeisen, Alois Berla, Adolf Wilbrandt, O. F. Berg, Carl Elmar, Carl Costa, Anton Bittner, Theodor Flamm, Friedrich Kaiser, Carl Haffner, Eduard Mautner, Theodor Scheibe, Anton Langer, Carl Gründorf, Julius Hopp, Carl Juin und Ludwig Gottsleben«. (Tumfart, S. 104 f.)

[6] Elfriede Walz' Dissertation über Ludwig Gottsleben.

    Einleitung:
Die Entwicklung der volkstümlichen dramatischen Gattung: Ihr Ursprung; das geistlich bürgerliche Spiel; das weltlich bürgerliche Spiel und die höfische Neidhartkomödie; die Schulkomödie und das Barockspiel.

    Das Volksstück in Wien:
Die Entstehung der Hanswurstkomödie und ihre Vertreter; der Wiener Hanswurststreit bedingt den Übergang zur studierten Komödie; ihre Weiterentwicklung erfolgt unter dem Einfluss der Bühnensituation.

    Die Stellung der Wiener Theater zum Volksstück:
Die Gründung der Vorstadttheater und der damit verbundene Aufschwung des Volksstückes, die Ausbildung seiner verschiedenen Arten; das burleske Grundschema; die Änderung des österreichischen Staates im Jahre 1848; ihre Auswirkungen auf das Wiener Theaterwesen, das Aufkommen der Operette und die Abwendung der Vorstadttheater vom Volksstück; der Kampf des Volksstückes gegen die Zensur; das Versiegen der Produktion.

    Das Wiener Volkssängertum:
Sein Ursprung; die ersten Vertreter; Wechselbeziehungen zum Theater; der Verfall durch die Loslösung vom Theater; die Reformen Mosers und der dadurch bedingte neue Aufschwung; Übergang vom Einzelvortrag zum Singspielhallenbetrieb unter französischem Einfluss; die Verdrängung des Wiener Volksgesanges durch die Pariser Montmartrekunst an der Wende des 19. zum 20. Jahrhundert.
Ludwig Gottsleben.

I. Lebensschicksal:
    a) Die Jugendzeit: Abkunft; die Kindheit im Elternhaus, erste dichterische Versuche; die Studienjahre an der Akademie für bildende Künste, erste materielle Sorgen, Tätigkeit als Kopist und Illustrator, der Freundeskreis; der erste Erfolg auf dichterischem gebiet; die Entdeckung der schauspielerischen Begabung, die ersten Engagements am Theater an der Wien und am Carltheater, der stereotype Charakter der ersten Rollen; der Entschluss zur Wanderschaft, erste Liebe; vier schauspielerische Lehrjahre in der Provinz.
    b) Im Zenith des Lebens: Verpflichtung an das Theater in der Josefstadt und Rückkehr nach Wien; Wiederaufnahme der dichterischen Tätigkeit; das Ende der Verpflichtung an das Theater in der Josefstadt und die folgenden Engagements an Fürsts Praterbühne; Familiengründung.
    c) Der Niedergang: Tod der Frau; Tod Fürsts, stärkere Auswirkung der Verdrängung des Volksstückes von den Wiener Bühnen nach 1882, rascher Engagementwechsel, häufige Provinzgastspiele; Nachlassen der dichterischen Kraft; die internationale Ausstellung für Musik- und Theaterwesen, Wien, 1892; Provinzgastspiele und vereinzelte Wiener Engagements in den Jahren 1892 bis 1908; Krankheit und Operation; die Reise nach London Mitte 1906; Rückkehr nach Wien, Ende der schauspielerischen Tätigkeit durch Alter und neuerliche Krankheit; das 50 jährige Schauspielerjubiläum im Jahre 1910, die Bürgerrechtsverleihung; der Tod; äußerliche Erscheinung und Charakter Gottslebens.

II. Gottsleben als Schauspieler und Volkssänger:
    a) Allgemeine Charakteristik seiner Darstellungsweise: Die Art der Begabung; die Sprechweise; die Gesten.
    b) Engagements und Rollen: Sein erstes Auftreten; Entwicklung zur schaupielerischen Reife, die stereotype Form seines Spiels (Wiener Volksfiguren); die Einschränkung seines Betätigungsfeldes durch den Niedergang des Volksstückes (der Übergang zur Darstellung kleiner Operettenrollen); sein letzter größerer Erfolg auf der Hanswurstbühne der internationalen Ausstellung für Musik und Theaterwesen, die Reisen mit der Hanswurstkomödie; das Ende seiner schauspielerischen Laufbahn; gemeinsames Auftreten mit berühmten Kollegen; die Beraufsauffassung Gottslebens; seine Ratschläge für die Theatereleven; seine Nachahmer.
    c) Wirkung und Erfolg beim Publikum: Große Beliebtheit beim erbeingesessenen Wiener Vorstadtpublikum; mangelndes Verständnis der neu zugewanderten Bevölkerungskreise für seine volkstümliche Darstellungsweise und harmlose Komik; anhaltender erfolg in der Provinz; die Feiern anlässlich seines 40 und 50jährigen Schauspielerjubiläums als Ausdruck der Dankbarkeit des Publikums für die vielen Stunden fröhlicher Unterhaltung durch sein Spiel.

III. Gottsleben als Dichter und Schriftsteller:
    a) Die Entfaltung der dichterischen Begabung: Die ersten dichterischen Versuche; zunehmende reife und Erfahrung durch den Verkehr mit Volksstückautoren; die Entdeckung der seiner Begabung gemäßen dichterischen Form.
    b) Die bühnenreifen Werke: Allgemeine Charakteristik (Gattung, künstlerische Aufgabe, Handlungsschema, Aufbau, Komik, Personen, Sprache und Vers, Rolle der Musik); der Einfluss fremder Autoren; der Einfluss der eigenen schauspielerischen Tätigkeit.
    Nähere Behandlung der einzelnen Werke:
    1) Stücke mit burleskem Grundschema: Ein Musikant; Der Michel aus dem Höllental; Herr Göd und Jungfer Godl; Nur solid!; Wiener Schnipfer; der narrische Toul.
    2) Stücke, deren Aufgabe die Charakteristik besonderer Typen ist: Auf der Bühne und hinter den Kulissen; Wiener Nachtfalter; Napoleon, der Alte; Bratelmusikanten; Kaufmannsfrau und Schusterbub; Diese Damen.
    3) Für das Fürsttheater bestimmte Stücke: Der Herrgottsschnitzer von Berchtesgaden; Der Himmel voller geigen; Die Wiener im Serail; Die Kunst geht nach Brot; Die lustigen Wiener; Der alte Komödiant; Die Wäschermädel; Die Deutschmeister im Brucker Lager; Das Christkindl.
    4) Gelegenheitsstücke: In Pest; Linzer Firmlinge; Der Stiefelputzer; Vier komische Szenen für die Ausstellung von 1892; Hanswurst, der traurige Küchelbäcker und sein Freund in der Not; Maroni arrostiti e spezza camino.
    5) Nestroy gewidmete Stücke: G'achnag; Gabriel Brunner.
    c) Quodlibet: Die Überlieferung (Bühnendrucke, Handschriften); Die feuilletonistischen Werke; Entstehung; die Nestroyausgaben; Meine Wenigkeit; 50 Jahre Komiker.

    Schluss: Die Bedeutung Gottslebens; das Weiterleben der Wiener Volkskunst.

Stand: Januar 2019
Klaus Gottsleben
Copyright © gottsleben-genealogie.de/com